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„ICH WERDE ES GANZ TIEF IN MEIN HERZ EINSCHLIESSEN“

Ricarda Funk trotz großer Enttäuschung

Ricarda Funk (c) DKV

PARIS. Fassungslosigkeit im deutschen Team. Es sollte der Lauf ihres Lebens vor ganz großer Kulisse mit mit Familie und Freunden werden. Als Halbfinalschnellste stand Tokio-Olympiasiegerin Ricarda Funk (KSV Bad Kreuznach) als Letzte an der Startlinie im Kajak-Einer. Die 32-Jährige wusste, was für einen Lauf die Australierin Jessica Fox den olympischen Kanal in Vaires-sur-Marne heruntergezaubert hatte. Aber sie kann auch zaubern – und das zeigte sie bis zu dem verhängnisvollen Tor 20, das sie nicht richtig traf und plötzlich eine 50-Sekunden-Strafe an der Anzeigetafel zu sehen war. Am Ende bedeutete dieser Fehler Rang elf für sie. Den Olympiasieg holte sich Fox vor der Polin Klaudia Zwolinska und der Britin Kimberley Woods.

Tapfer und mit tränenerstickter Stimme stellte sich die Rheinländerin den vielen Fragen der Journalisten. Wie wird sie die Olympischen Spiele jetzt weiter nach ihrem großen Traum wahrnehmen? „Erst einmal sacken lassen. Stimmung aufsaugen. Andere Athleten anfeuern. Pins sammeln, alles was dazu gehört.“
Funk war sensationell in ihr Rennen gestartet. „Ich war zu Beginn eine sehr gute Linie gefahren, auch nicht zu sehr auf Risiko. Im letzten Streckenabschnitt habe ich dann doch das Risiko gesucht, und das hat sich leider nicht ausgezahlt. Es war ein bisschen zu much. Ich wollte möglichst wenig Kontakt zur Walze haben und dann drüberfliegen. Ich bin drübergeflogen –  aber es war leider zu wenig Kontakt und ich musste mich dann in das Abwärtstor reinschmeißen“, erzählte sie. Dabei habe sie nicht gemerkt, dass sie das Tor nicht korrekt befahren hatte, „mir war gar nicht bewusst, dass es gleich 50 Sekunden sind. Ich habe die ganze Zeit gedacht, das sind nur zwei Sekunden sind. Erst im Ziel habe sie das Video ihres Laufes gesehen, „und musste leider zustimmen, dass es 50 Strafsekunden sind. Das tut weh.“

Doch auch ohne den Fünfziger hätte es nicht für eine Medaille gereicht, weil dieser Fahrfehler zudem wertvolle Sekunden kostete, da sie an dieser Stelle hängenblieb. „Mich ärgert einfach der elfte Platz – ich habe mehr drauf“, sagte sie und konnte dabei ihre Tränen kaum noch unterdrücken. 

Es war eine brutale Aufgabe, die sie heute hatte, wie sie selbst sagte. „Es ist nicht leicht, als Olympiasiegerin bei Olympischen Spielen an den Start zu gehen und dann als Letzte in dieser Startbox zu stehen. Das war eine Herausforderung“, die sie angenommen habe. „Aber ich muss auch sagen, ich bin ein bisschen stolz auf mich, dass ich es so angenommen habe. Mental ging es mir da oben gut. Ich habe mir gesagt: Das ist mein Moment. Das ist der Moment, für den ich all die Jahre so hart trainiert habe. Dass ich endlich vorm Publikum ein tolles Finale fahren dar. Und dann auch noch als Letzte. Wie geil ist denn das? Alle warten nur noch auf mich, und ich entscheide eigentlich gerade, was hier abgeht. Ich habe es als positiv empfunden und fand es einfach nur cool da oben. 

Bei aller Enttäuschung sagte Funk, „die Geräuschkulisse war der Wahnsinn. Es war für mich hier eine riesengroße Erfahrung, etwas ganz Besonderes. Und ich werde es ganz tief in mein Herz einschließen, auch wenn ich im Finale leider nicht zeigen konnte, was ich eigentlich kann.“

Noch sind die Spiele für die Vorzeigeathletin nicht zu Ende. Natürlich ist der Kanuslalom mit seiner filigranen Technik ihre Schokoladendisziplin. Doch Olympia in Paris ist für sie noch nicht vorbei. Kajak-Cross steht noch an. Mit den Vorläufen dafür geht es am Freitag, 2. August, los. 

Beim Kajak-Cross müsse sie dann „die Ellenbogen ausfahren“, da es eine ganz andere Sportart ist. Auch wenn ihr ganzes Herzblut im Kanu-Slalom liege, schaue sie jetzt positiv nach vorn, dass die Olympischen Spiele für sie noch nicht vorbei sind. 

Cheftrainer Klaus Pohlen findet kaum Worte. Denn Ricarda Funk war stark unterwegs – die Medaille schien bis Tor 20 sicher –, wenn vielleicht auch nicht unbedingt Gold. „Wir sind alle maßlos enttäuscht. Über einen Großteil der Strecke sah es sehr gut aus. Sie hat einen enormen Kampfgeist gezeigt. Sie war immer auf Schlagdistanz zu Jessica Fox, auch zum Schluss noch war sie vorn. Und dann ist es eben ein kurzer Moment, vielleicht der Unaufmerksamkeit, und dann passiert das eben.“ Pohlen lobte Funk als eine „herausragende Persönlichkeit. Wir als Team stehen alle hinter ihr. In unserer Sportart kann das passieren. Es ist immer ein schmaler Grat zwischen Risiko und Kontrolle.“ Auch wenn es diesmal ein Ticken zu viel Risiko war, „sie hat gezeigt, sie gehört zu den ganz Großen in dem Sport. Sie hat eine enorme Show gezeigt.“

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