- von LOKALSPORT - über SPORT REGIONAL - bis SPORT INTERNATIONAL -

„WIR WERDEN UNSERE LEHREN DARAUS ZIEHEN UND WIEDER ANGREIFEN“

Für Schiedsrichterin Kerstin Duchatz ging in Paris ein Traum in Erfüllung

(c) DTTB

PARIS. Die Olympischen Spiele sind vorbei – für das DTTB-Team gab es keine Medaille, zum ersten Mal seit den Olympischen Spielen 2004 in Athen wieder. DTTB-Sportdirektor Richard Prause zieht eine kleine Bilanz. 

Medaille verpasst, aber ein respektabler vierter Platz des Damen-Teams. Ein versöhnlicher Abschluss der Olympischen Spiele in Paris?  

Ja, zunächst mal eine ganz große Gratulation an das deutsche Damenteam. Wir hatten große Herausforderungen im Vorfeld der Olympischen Spiele und auch während der Olympischen Spiele und nur ein Teil davon ist an die Öffentlichkeit gedrungen, das war wirklich eine schwierige Situation. Dass die Deutschen Damen sich so ein bisschen wie Phoenix aus der Asche erheben und hier als beste europäische Mannschaft in ein olympisches Halbfinale kommen, ist eine herausragende Teamleistung. Da muss man wirklich ganz großen Respekt haben. 

Und Annett Kaufmann hat ihre Chance mehr als genutzt hier in Paris… 

Ja, manchmal entwickeln sich aus bestimmten Situationen natürlich Dinge, die man vorher nicht unbedingt so sehen kann. 

Annett Kaufmann hat auf einem unglaublich hohen Niveau gespielt. Und wir haben gesehen, dass wir im Doppel auch ein klein wenig aus der Not geboren, ein tolles und sehr harmonisches Doppel Xiaona Shan und Yuan Wan haben, die ein ganz wichtiger Faktor waren, überhaupt ins Halbfinale zu kommen. 

Trotzdem reichte es in allen Konkurrenzen nicht zu einer Medaille. 

Ja, das muss man feststellen. Wir haben uns im Vorfeld hohe Ziele gesetzt und gesagt, wir wollen eine Medaille oder mindestens um die Medaillen spielen. Das haben wir nur bei den Damen geschafft, das war wirklich gut. Bei den Herren muss man sagen, dass wir nicht zufrieden sind und hinter unseren hohen Erwartungen geblieben sind. Aber wir gehen nicht zu Olympia und sagen: Wir sind mit einem Achtelfinale zufrieden. China thront zwar noch über allen, wenn auch nicht mehr so hoch, danach gibt es 6-7 Nationen, die auf einem ähnlichen Niveau sind. Hier in Paris waren die Schweden, Japaner, Franzosen und Chinesen besser als wir, das müssen wir anerkennen. 

Was haben die Franzosen oder Schweden besser gemacht hier in Paris? 

Zunächst haben wir auch gute Spiele hier in Paris gemacht. Dimitrij war sehr nah dran, in einem Match auf hohem Niveau Felix Lebrun zu schlagen, der am Ende Bronze gewinnt. Das kann gut und gerne auch ein Halbfinale sein. Mit Schweden sind wir gegen ein Team ausgeschieden, das am Ende dann Silber gewinnt. Wir müssen unsere Lehren daraus ziehen, warum wir es nicht geschafft haben, hier abzuliefern. Es sind manchmal Nuancen. Truls Moregard hat zum Beispiel im letzten Jahr sehr unterschiedlich gespielt und in Paris das Momentum genutzt.  Es gibt spielerische Sachen, die wir besser machen müssen, müssen nochmal über den Wettkampf Kalender sprechen, über die Doppel und einige weitere Ansatzpunkte. Aber das werden wir in Ruhe mit unserem Trainerteam analysieren.  

Wird es bei den Herren in Zukunft schwieriger werden, bei Großveranstaltungen Medaillen zu gewinnen? 

Wir sind auf jeden Fall nicht mehr per se die Nummer zwei. Hier waren es Frankreich, Schweden und Japan, die sich als die Besten nach China herauskristallisiert haben. Aber es gibt auch noch Taiwan oder Südkorea, die sehr gefährlich sind. Insgesamt ist die Weltspitze einfach viel dichter geworden. Wer hätte vor zehn oder fünfzehn Jahren gedacht, dass ein Brasilianer im Halbfinale von Olympia steht? Wir sind jetzt in dieser Situation und wir werden bei den nächsten Events wieder angreifen.

Vielen Dank.

—————

PARIS. Für Kerstin Duchatz ist in Paris ein Traum in Erfüllung gegangen. Die deutsche Schiedsrichterin, dekoriert mit der höchsten Auszeichnung “Gold Badge”, war eine von 20 Unparteiischen aus der ganzen Welt, die bei den Olympischen Spielen im Einsatz waren. Am Ende durfte sie sogar das Team-Finale der Damen mit leiten.

Ich muss mich erst einmal sammeln. Was da die letzten zwei Wochen passiert…”, beginnt die 35-jährige Hernerin ihre Antwort auf die Frage, wie ihre Zeit im Einsatz bei den Sommerspielen war. “Für mich war es großartig, gestern für das letzte Match des Turniers als Schiedsrichterin einzulaufen und nochmal die große, ausverkaufte Halle in bester Stimmung zu erleben”, erzählt Duchatz. Dass der Weltverband ITTF ausgerechnet sie für das finale Highlight des olympischen Tischtennis-Turniers ausgewählt hatte, war kein Zufall. Schließlich war sie erst im Februar zur ersten “Weltschiedsrichterin des Jahres” gekürt worden. Diese Auszeichnung war eine große Ehre, sicher, aber das Ziel eines jeden ambitionierten Schiedsrichters seien die Olympischen Spiele, stellt die Vorsitzende des DTTB-Schiedsrichter-Ressorts klar.

Mit 17 Jahren Bezirksschiedsrichterin, mit 35 bei Olympia

Der Weg zu diesem Ziel ist steinig, lang, erfordert viel Zeit und auch Geld. Nur die Wenigsten schaffen es dorthin. Denn jeder beginnt zunächst als Schiedsrichter im Verein und muss den Weg über den Verbands-, nationalen und internationalen Schiedsrichter gehen, bevor dort mit den höchsten Qualifikationsstufen „Blue-“ und „Gold Badge“ die letzten Hürden warten. Im Alter von 17 Jahren legte sie ihre Bezirksschiedsrichterinnenprüfung ab. Bereits 2016 ist die als Veranstaltungsmanagerin an der Hochschule Bochum tätige Duchatz Inhaberin des „Blue Badge“, der zu der Zeit für die internationalen Unparteiischen am Tisch – Oberschiedsrichter nehmen einen anderen Ausbildungsweg – die höchste Qualifikationsstufe ist. 2022 wurde der „International Umpire Gold Badge“ eingeführt, um erneut eine Gruppe besonders qualifizierter Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter zu selektieren. Auch diesen Schritt schaffte Duchatz. Sie genießt nicht nur in Schiedsrichterkreisen hohes Ansehen. „Natürlich sprechen wir manchmal auch über Schiedsrichter. Kerstin gehört zu denen, die sehr klar und souverän in ihren Anweisungen sind und viel Respekt unter den Spielern genießen“, sagt etwa Herren-Bundestrainer Jörg Roßkopf.

Im europäischen Tischtennis-Verband ETTU ist sie Mentorin für Nachwuchsschiedsrichterinnen und -schiedsrichter. Die Nachwuchsarbeit liegt ihr national und international am Herzen. Ihre eigenen Partien leitet sie hochkonzentriert, souverän und freundlich – egal ob bei nationalen Meisterschaften oder Welttitelkämpfen. Unter anderem saß sie 2021 bei den Weltmeisterschaften in Houston am Zähltisch, als Kristian Karlsson und Mattias Falck Gold für Schweden gewannen. Dies war ihr persönliches Highlight als Unparteiische bis Paris. Bereits zwei Jahre zuvor in Budapest hatte sie ihre ersten WM-Endspiel-Einsätze. Im Mixed- und Herren-Doppel war das. Damals sagte sie, natürlich träume sie davon, irgendwann einen Einsatz bei Olympischen Spielen zu bekommen. „Aber es gibt viele sehr qualifizierte Kolleginnen und Kollegen, so dass ich in den nächsten zehn, 20 Jahren noch nicht damit rechne.“ Im September 2023 kam dann die Mitteilung des Weltverbands per E-Mail. Kerstin Duchatz war für die Olympischen Spiele ausgewählt worden als einzige Deutsche und eine von nur sechs Europäern. Ihre Düsseldorfer Kollegin Anja Gersdorf, Olympia-Schiedsrichterin in Tokio, wird Partien bei den Paralympics leiten, die in 17 Tagen in Frankreichs Hauptstadt beginnen.

Eröffnungsfeier an der Seine: „Es ist die Wahrheit: Ich sitze hier wirklich und bin dabei“

Duchatz‘ Traum ist im Eiltempo wahr geworden. “Wir waren bei der Eröffnungsfeier und da sitzt man dann an der Seine, das deutsche Boot fährt vorbei und man denkt sich: ‘Es ist die Wahrheit: Ich sitze hier wirklich und bin dabei’.“ Während der zwei Wochen dauernden Wettbewerbe hatte sie zahlreiche Einsätze. Für die Finals der Individualwettbewerbe wurde Duchatz jedoch noch nicht eingeplant. Dann aber eben für das allerletzte Duell der Olympischen Spiele: Das Endspiel der Damen im Team zwischen China und Japan. „Es war ein deutliches Spiel. Aber da zu sitzen, bei Olympia, wo es um eine Goldmedaille geht – das war einfach ein Traum und ein schöner Abschluss von dem, was ich die letzten zweieinhalb Wochen erlebt habe.”

Andere Sportarten der Olympischen Spiele konnte sie sich nicht anschauen. Zu kurzfristig wurden die täglichen Einsatzpläne bekanntgegeben, als dass sich die „Match Officials“, wie sie international heißen, noch rechtzeitig Tickets hätten besorgen können. Aber für Sightseeing blieb genug Zeit und auch für ein Kaltgetränk auf dem Eiffelturm. Die Organisation des Turniers war “erste Sahne – absolute Laborbedingungen“, lobt sie. Dazu war ihr Hotel direkt neben der Halle und bot die Möglichkeit, auch zwischendrin mal eine kurze Pause im eigenen Zimmer einzulegen. 

Nach zweieinhalb langen Wochen sei sie jetzt aber schon erschöpft und erleichtert, endlich nach Hause zu können. Aber es bleibt eine Erinnerung, ein Erlebnis, das die Ehrenamtlerin für immer behalten wird: “Ich bin einfach nur happy. Ich weiß sehr wohl, dass es für mich die einzigen Olympischen Spiele in meinem Leben waren und ich so hart darauf hingearbeitet habe. Jetzt ist es vorbei, ich stehe hier am Bahnsteig und warte auf meinen Zug nach Hause. Es ist einfach nur schön.”

Links

Liebe Leserin, lieber Leser
des SPORT-MEDIUMS – sport-rhein-erft.de,

 

wir freuen uns, wenn Sie unsere Arbeit mit einem monatlichen ABO in Höhe von 3,--€, 5,-- € oder 10,-- € unterstützen.

 

Unterstützen Sie uns mit Ihrem Beitrag