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PARA SCHWIMMER WETEKAM GEWINNT ERSTE DEUTSCHE MEDAILLE

Bronze für Para Schwimmer Maurice Wetekam über 100 Meter Brust mit deutschem Rekord, die erste Finalteilnahme für Para Leichtathletin Jule Roß und ein ganz wichtiger Auftaktsieg für die Sitzvolleyballer: Der erste Wettkampftag bei den Paralympics in Paris mit Beteiligung des TSV Bayer 04 Leverkusen hätte kaum besser sein können.

Archivfoto Maurice Wetekam 13.06.2022 Funchal / Madeira WORLD PARA SWIMMING CHAMPIONSHIPS 2022 WETEKAM, Maurice (S9/SB9/SM9, TSV Bayer 04 Leverkusen/SG Bayer)

PARIS. Maurice Wetekam sicherte sich auf den 100 Meter Brust (SB9) Bronze in deutscher Rekordzeit und sorgte für die erste deutsche Medaille bei den Paralympics. Der 18-Jährige vom TSV Bayer 04 Leverkusen haute bereits im Vorlauf ordentlich einen raus: Auf den 100 Meter Brust schwamm der Dortmunder eine persönliche Bestzeit, kam nach 1:07,79 Minuten mit deutschem Rekord im Ziel an. Damit drückte er seine alte Bestzeit (1:08,89 Minuten) auf seiner Paradestrecke um mehr als eine Sekunde. Der große Formel-1-Fan feierte kurz nach dem Anschlag im Ziel mit dem „Vettel-Finger“: Er hob seinen rechten Zeigefinger in die Luft, wie es der viermalige Weltmeister Sebastian Vettel nach seinen zahlreichen Grand-Prix-Siegen meist getan hatte.

Auf den zweiten 50 Metern des Vorlaufs ging dem 18 Jahre alten Schwimmer des TSV Bayer 04 Leverkusen ein wenig die Puste aus: „Hintenraus war es schon hart. Aber ich denke, das geht heute Abend nochmal ’ne deutliche Ecke schneller.“ Und Recht sollte Wetekam behalten: Im Endlauf steigerte er nochmals seine Bestzeit und schlug nach 1:07,04 Minuten im Ziel an. Und dieses Mal waren es die zweiten 50 Meter, die Wetekam bockstark gestaltete: „Ich habe links von mir gesehen, dass Stefano Raimondi vor mir war. Rechts von mir war der NPA-Athlet Artem Isaev vor mir. Auf gut Deutsch gesagt dachte ich mir da: Scheiße!“

Doch Wetekam zog einen wahnsinnigen Endspurt an, kämpfte sich auf den letzten 15 bis 20 Metern an den NPA-Schwimmer heran – und überholte ihn auf den letzten Metern! Artsev schlug 25 Hundertstel nach dem Deutschen im Ziel an. Der Schlussspurt machte die Bundestrainerin Ute Schinkitz in der Mixed Zone regelrecht sprachlos. Mit Tränen in den Augen schüttelte sie immer wieder ihren Kopf und freute sich für Wetekam, der kein leichtes letztes halbes Jahr hatte, vieles im Training umgestellt hatte und sich nun dafür belohnte. Gold ging an den Italiener Raimondi (1:05,28 Minuten), Silber an den Lokalmatador Hector Denayer: Der Franzose brauchte 1:05,91 Minuten für die 100 Meter Brust.

Jule Roß erreicht Finale über 400 Meter dank 0,02 Sekunden

In der Para Leichtathletik kam Jule Roß – wie Wetekam erst 18 – in 1:01,08 Minuten dank zweier Hundertstelsekunden als Gesamt-Achte ins Finale über 400 Meter der Klasse T47, das am Samstag um 21.19 Uhr startet. „Es hat sehr, sehr viel Spaß gemacht“, sagte das Nachwuchstalent, das in Kobe bei der WM im Mai Vierter über die Stadionrunde wurde: „Als ich das erste Mal in den Katakomben die vielen Menschen gesehen habe, habe ich schon Gänsehaut gehabt und erstmal probiert, die Nervosität abzulegen. Im Stadion habe ich meine Family gesehen, meine Trainerin, die anderen vom Team Deutschland. Das hat mich mega beruhigt.“

Dass sie dann knapp eine halbe Stunde im Kalten warten musste, beeindruckte sie nicht. „Man ist in Deutschland das schlechte Wetter gewohnt, es hat mich nicht eingeschränkt. Aber ich laufe lieber in der Sonne“, sagte die gebürtige Bergisch Gladbacherin und freute sich: „Das Finale war mein großes Ziel hier, dass es direkt klappt, ist mega. Ich freue mich auf morgen und hoffe, dass ich dann noch eine Schippe drauflegen kann. Ich will noch mal alles geben, damit ich am Ende zufrieden bin mit meiner Leistung – und das Ganze genießen.“

Sitzvolleyballer siegen zum Auftakt gegen Brasilien

Deutschlands Sitzvolleyballern mit gleich sieben Leverkusenern ist der erhoffte erfolgreiche Start ins paralympische Turnier geglückt. Das Team von Bundestrainer Christoph Herzog bezwang im ersten von drei Gruppenspielen Brasilien mit 3:0 (25:16, 29:31, 25:19) und hat sich damit eine gute Ausgangsposition im Kampf um das Halbfinale geschaffen. In der Gruppe mit Topfavorit und Paralympics-Sieger Iran war ein Erfolg gegen die Südamerikaner wichtig, um das Halbfinale erreichen zu können. Nur die beiden Gruppenbesten ziehen direkt in die Runde der letzten Vier ein.

Vor einer tollen Kulisse von rund 4000 Zuschauern kam das deutsche Team glänzend ins Turnier und holte den ersten Satz mit 25:16. In einem packenden zweiten Durchgang lag Deutschland von Beginn an zurück, zwischenzeitlich sogar 13:19 und 17:22. Zum richtigen Zeitpunkt aber gelang Kapitän Jürgen Schrapp und seinen Mitspielern die Aufholjagd, beim 23:23 gelang in der lauten Arena Paris Nord der Ausgleich. Beide Teams hatten Satzbälle, Deutschland nutzte seinen sechsten zum 31:29 und damit zur 2:0-Satzführung.

Im dritten Durchgang zog der Vize-Europameister von 2023 schnell auf 6:2 davon. Brasilien kam noch einmal zurück und drehte den Satz auf 15:18. Doch mit einem 10:1-Endspurt holte sich Deutschland den dritten Satz und den so erhofften Auftaktsieg. Jetzt gilt der Fokus dem zweiten Gruppenspiel am 1. September (18 Uhr) gegen die Ukraine, die ihr Duell mit dem Iran 0:3 verlor.

Parasport-Geschäftsführer Jörg Frischmann freute sich angesichts der ersten Ergebnisse der Spiele von Paris: „Es war ein perfekter Tag, so kann es gerne weitergehen.“ 

Texte: Patrick Dirrigl, Nico Feißt, Stefanie Bücheler-Sandmeier / DBS 

 

Rang vier für Léon Schäfer im Weitsprung

Léon Schäfer ist im Weitsprung bei den Paralympics in Paris Vierter geworden. Der Weltmeister von 2019, 2023 und 2024 blieb nach Silber in Tokio 2021 dieses Mal ganz ohne Medaille. Mit 6,93 Metern fehlten acht Zentimeter zum Bronzerang, zum Sieg sogar 75 Zentimeter. Jule Roß wurde Achte über 400 Meter beim Paralympics-Debüt.

Gold war sein klares Ziel, es wurde Rang vier – und Léon Schäfer war nach dem Wettkampf sichtlich bedient. In seinen Sprüngen ließ er viel Platz am Brett und auch in seinem gefürchteten letzten Versuch konnte er nicht mehr kontern, sodass am Ende 6,93 Meter als bestes Ergebnis stand.

Der 27-Jährige vom TSV Bayer 04 Leverkusen hatte in den vergangenen Jahren den Weitsprung der Klasse T63 dominiert. 2019 hatte er erstmals den Titel gewonnen, bei der WM 2023 in Paris verbesserte er mit 7,25 Metern seinen Weltrekord im letzten Versuch um einen Zentimeter und machte dann im Mai in Kobe den Titel-Hattrick perfekt – wieder im sechsten Sprung. Doch dann schlug kurz vor den Paralympics sein Konkurrent zurück, der so oft das Nachsehen hatte: Anfang Juli pulverisierte Joel de Jong die Bestmarke von Schäfer um 42 Zentimeter und flog auf sagenhafte 7,67 Meter, sodass der Niederländer als Favorit in Paris galt.

Und der Niederländer lieferte: Im letzten Versuch verbesserte er gar seinen Weltrekord um einen Zentimeter, dahinter wurde der Däne Daniel Wagner Zweiter mit 7,39 Metern, als Bronzemedaillengewinner schob sich überraschend Noah Mbuyamba mit Bestweite von 7,01 Meter aufs Podest. Bundestrainerin Marion Peters blickte nach der Enttäuschung nach vorne auf den 100-Meter-Wettbewerb, der am Sonntagabend mit den Vorläufen startet, am Montagabend steigt das Finale: „Ich hoffe, dass Léon heute Nacht die Energie in sich sammeln kann und sich morgen rehabilitiert. Er hat die Form und ich glaube an ihn.“

Jule Roß Achte beim Paralympics-Debüt

Jule Roß wurde im Finale über 400 Meter der Klasse T47 in 59,47 Sekunden Achte bei ihrem Paralympics-Debüt und lief die zweitschnellste Zeit ihrer noch jungen Karriere: „Die Atmosphäre und die Stimmung waren unbeschreiblich gut, es war super laut, und das hat einen mega gepusht. Ich habe auch direkt die Fahne meiner Familie gesehen, da stand Jule drauf“, sagte die Athletin vom TSV Bayer 04 Leverkusen: „Gestern im Vorlauf war ich nervöser, aber heute wusste ich, wie die Abläufe vor dem Rennen sind. Die Aufregung war trotzdem da, aber es war einfach richtig cool. Es ist die zweitbeste Zeit, die ich jemals gelaufen bin, deswegen kann ich sehr zufrieden damit sein. Und den achten Platz bei den Paralympics kann mir keiner mehr nehmen.“

Nele Moos erzielte über ihre Nebenstrecke 100 Meter in 13,38 sec eine neue persönliche Bestleistung und rangierte am Ende auf Platz 13.

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Irmgard Bensusan gewinnt Paralympics-Bronze über 200 Meter

Irmgard Bensusan hat es wieder geschafft: Bei ihren dritten und letzten Paralympics gewinnt die 200-Meter-Weltmeisterin von Paris 2023 ihre sechste Medaille. Über 200 Meter wird die gebürtige Südafrikanerin in 26,77 Sekunden Dritte und holt nach fünf Mal Silber erstmals Bronze. Am Vormittag gab es Rang sechs für Speerwerferin Martina Willing und Kugelstoßerin Charleen Kosche. Jule Roß landete in Bestzeit auf Rang 11 über 100 Meter, Kim Vaske auf Platz 15.

 

Nach Dreifach-Silber in Rio über 100, 200 und 400 Meter sowie Doppel-Silber in Tokio über 100 und 200 Meter hatte „Tante Irmie“ für ihre letzten Paralympics ein klares Ziel: Spaß haben. „Rotwein und Käse“ erwarte sie am Abend, hatte sie nach dem lockeren Vorlauf lachend frohlockt und hinterhergeschoben: „Für den Wettkampf wünsche ich mir einfach eine geile Zeit.“ Hinter den beiden Niederländerinnen Kimberly Alkemade und Marlene van Gansewinkel war die Athletin vom TSV Bayer 04 Leverkusen als drittschnellste ins Finale eingezogen, doch zwischen Platz drei und sechs war der Abstand im Vorlauf klein.

Beim Einmarsch ins Stade de France zeigte sie mit ihre Händen ein großes Herz und strahlte über das ganze Gesicht – und genau so positiv ging sie das Rennen an. Kurzzeitig lag neben den beiden Favoritinnen – Alkemade siegte, van Gansewinkel wurde Zweite – auch die Kanadierin Marissa Papaconstantinou vor Bensusan, doch ausgangs der Kurve schnappte Bensusan zu und lief klar auf Rang drei in Saisonbestzeit – Bronze bei ihren letzten Paralympics.

„Ich bin sehr glücklich, emotional, alles! Es ist so ein gutes Gefühl“, sagte Bensusan, die von Erik Schneider trainiert wird und auf den Support ihrer südafrikanischen Familie auf der Tribüne zählen konnte: „Vor dem Wettkampf war mein Herz in meinem Hals und meine Beine waren müde. Das ist ein normales Gefühl, wenn man bei Paralympics antritt. Ich habe meinem Trainer gesagt: ‚Gott sei Dank ist es der letzte.‘ Und zu mir selbst: ‚Das Gefühl habe ich nie wieder, genieß es!‘ Da bekomme ich jetzt wieder eine Gänsehaut.“ Nun wartet am Donnerstag der Vorlauf über 100 Meter, am Freitag das Finale – es wird das letzte Rennen auf der paralympischen Bühne für Irmgard Bensusan sein, die nach den Spielen nach Südafrika zieht, aber noch ein bis zwei Jahre weitermachen möchte.

Jule Roß mit Bestzeit, Kim Vaske gibt ihr Debüt

Die anderen beiden Debütantinnen Jule Roß und Kim Vaske vom TSV Bayer 04 Leverkusen verpassten als Elfte und 15. das Finale über 100 Meter in der Klasse T47, waren aber dennoch happy. Roß verbesserte in 12,72 Sekunden ihre Bestzeit um drei Hundertstel und sagte: „Die Bestleistung ist das, was ich mir hier vorgenommen habe. Die Atmosphäre war super, deshalb bin ich sehr zufrieden. Ich habe zwei Mal erreicht, was ich wollte, daher gehe ich mit einem positiven Gefühl in den Weitsprung und die 200 Meter.“

Für Vaske war es der erste Start im Stade de France bei ihrer Premiere: „Ich konnte gar nicht mehr aufhören zu lachen und zu staunen, weil es so geil war“, sagte die 19-Jährige: „Das war meine zweitschnellste Zeit dieses Jahr über 100 Meter, da kann man nicht meckern, zum Höhepunkt topfit. Das heute war einmal zum Warmmachen und Stadion kennenlernen. Jetzt gehen alle Augen morgen auf Kugel. Ich möchte meine gute Form einfach noch einmal untermauern und bei meinem ersten internationalen Wettkampf im Kugelstoßen der Konkurrenz zeigen: Hier bin ich.“

 

Sitzvolleyballer erwarten im Halbfinale das „Spiel des Jahres“

 

Die deutschen Sitzvolleyballer treffen am Donnerstag um 12 Uhr im Halbfinale des paralympischen Turniers in Paris auf Bosnien-Herzegowina. Im letzten Vorrundenspiel unterlag Deutschland mit sieben Leverkusenern dem Favoriten Iran in drei Sätzen (17:25, 13:25, 16:25) und beendet damit die Gruppenphase nach zwei Siegen gegen Brasilien und die Ukraine auf Platz zwei. Im zweiten Halbfinale trifft der Iran auf Ägypten.

„Wir haben einiges probiert, gerade in der Abwehr. Gegen den Iran zu spielen, ist es etwas anderes. Sie sind unberechenbar“, sagte der Leverkusener Lukas Schiwy und fügte schmunzelnd an: „Du kannst gegen ihn einen Block stellen, kannst es aber auch lassen, weil er im Zweifel drüber schlägt. Im besten Fall versucht man ihn zu umgehen. Aber die anderen sind eben auch gut.“

Ab sofort sind alle Augen auf das Halbfinale gerichtet. Gegen Bosnien-Herzegowina, das bei den Paralympics in Tokio Bronze gewann, hat Deutschland noch eine Rechnung offen. Bei der Europameisterschaft im vergangenen Jahr unterlag Herzog mit seinem Team knapp nach fünf Sätzen 2:3. In Paris gewannen die Weltranglistenvierten ihre Gruppenspiele gegen Ägypten (3:1), Frankreich (3:0) und Kasachstan (3:2).

„Wir gehen All in gegen Bosnien“, kündigt Bundestrainer Christoph Herzog an, der weiß: Mit einem Sieg hat Deutschland die erste Paralympics-Medaille seit Bronze 2012 in London sicher. „Das ist das Spiel des Jahres, vielleicht sogar das wichtigste der letzten Jahre. Wir wissen, dass wir sie besiegen können. Das wollen wir zeigen. Ich kann daher nur allen deutschen Fans empfehlen: Kommt vorbei – feuert uns an!“

Text: Stefanie Bücheler-Sandmeier / DBS

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